Farbe ist weit mehr als Dekoration – sie ordnet, betont, erzählt. Wer sich heute mit Farben professionell beschäftigt, sitzt oft am Bildschirm, justiert digitale Farbräume oder entwickelt Gestaltungskonzepte. Doch der Umgang mit Farbe hat eine lange handwerkliche Tradition. Der Beruf der Kolorist:in reicht zurück bis in eine Zeit, in der jede Farbe noch von Hand aufgetragen wurde – auf Landkarten, Kupferstiche, Fotografien oder Stoffe. Damals wie heute ist ein feines Gespür für Ton, Wirkung und Material gefragt. Der folgende Artikel zeigt, wie sich dieser gestalterische Beruf vom analogen Handwerk zur vielfältigen, oft digitalen Tätigkeit von heute entwickelt hat – und warum er gerade jetzt wieder spannend ist.
Der Beruf Kolorist:in früher und heute
Früher: Farbe von Hand – ein künstlerisches Handwerk
Lange bevor es Photoshop, Farbdruck oder industrielle Textilfärbung gab, war das Kolorieren ein echtes Kunsthandwerk. Kolorist:innen arbeiteten mit feinen Pinseln, Wasserfarben und einem scharfen Auge für Nuancen. In botanischen Lehrbüchern, Atlanten und Modejournalen des 17. bis 19. Jahrhunderts sorgten sie dafür, dass die gedruckten Schwarzweiß-Illustrationen zum Leben erwachten – etwa indem sie die Blüten eines Rosengewächses zart rosa schattierten oder die Uniformfarben eines Offiziers akkurat wiedergaben. Auch Landkarten wurden von Hand koloriert, häufig nach einem festgelegten Farbsystem, das Orientierung und Funktion visualisierte.
Selbst frühe Fotografien wurden nicht in Farbe aufgenommen, sondern nachträglich von Hand bemalt: Porträts bekamen gerötete Wangen, Landschaften Himmelblau. Und in der Glasmalerei waren Kolorist:innen für die lebendige Farbwirkung von Kirchenfenstern zuständig – mit Schmelzfarben, die bei hohen Temperaturen eingebrannt wurden.
Ein weiteres klassisches Arbeitsfeld war die Textilfärbung: In Färbereien mischten Kolorist:innen ihre Rezepturen oft nach Erfahrung, Fingerspitzengefühl und geheimem Wissen – ein handwerklich-chemischer Balanceakt, der sowohl Kreativität als auch technisches Verständnis erforderte.
Heute: Farbe trifft Technologie – kreativ, vielfältig, digital
Heute hat sich das Berufsbild gewandelt und zugleich erweitert. Kolorist:innen arbeiten in unterschiedlichsten Designfeldern – von Hightech bis Handmade.
Im Film- und Videobereich nennt man sie „Colorist:innen“ – sie sind für das sogenannte Color Grading zuständig. Ob Kinofilm, Serie oder Musikvideo: Sie sorgen dafür, dass jede Szene die passende Stimmung erhält – düster-blau für Spannung, golden-warm für Rückblenden oder knallig für Pop-Ästhetik. Dafür nutzen sie Software wie DaVinci Resolve und arbeiten eng mit Regie und Kamera zusammen.
Auch in der Comic- und Illustrationsszene sind Kolorist:innen gefragt: Sie kolorieren gezeichnete Seiten, setzen Licht- und Schattenspiele, gestalten Charaktere und Stimmungen. Ein schönes Beispiel ist die Arbeit der Berliner Künstlerin Kristina Gehrmann, die ihre historischen Graphic Novels digital koloriert – mit großem Gefühl für Atmosphäre und Detail.

In der Textilgestaltung übernehmen Kolorist:innen nach wie vor die Entwicklung und Abstimmung von Farben für Stoffe – heute meist mit digitalen Farbsystemen, Laboranalysen und Nachhaltigkeitsfokus. Auch Friseur:innen mit Farbexpertise nennen sich heute häufig Kolorist:innen – sie erstellen typgerechte Farbkonzepte, kennen Farbtrends und beherrschen moderne Färbetechniken.
Ob du also Farben für eine Naturstudie auswählst, mit Aquarell dein Skizzenbuch füllst, digitale Illustrationen bearbeitest oder Garne selbst einfärbst – du arbeitest im Kleinen wie ein:e Kolorist:in. Der Beruf ist heute kein festgelegter Ausbildungsweg mehr, sondern eher ein Tätigkeitsfeld an der Schnittstelle von Gestaltung & Technik