Wohnen wird immer teurer: GrundstĂŒckspreise steigen, Handwerksleistungen kosten ein kleines Vermögen und viele Menschen sehen sich vom Traum vom eigenen Zuhause ausgeschlossen. In dieser angespannten Lage gewinnt eine Idee wieder an Bedeutung, die bereits in den 1970er-Jahren visionĂ€r war â das Self-Build-Konzept. Es geht darum, HĂ€user mit einfachen Mitteln selbst zu bauen â gemeinschaftlich, nachhaltig und bezahlbar. Einer der bekanntesten Vordenker dieser Bewegung war der Architekt Walter Segal. Mit seinem Ansatz revolutionierte er nicht nur die Art zu bauen, sondern auch das Denken ĂŒber Architektur, Gemeinschaft und SelbstermĂ€chtigung. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die UrsprĂŒnge des Self-Build, auf Walter Segals Leben und seine beiden bis heute inspirierenden Bauprojekte in London.
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Warum Self-Build heute aktueller denn je ist
Die Wohnsituation in vielen StĂ€dten Europas ist angespannt: Die Mieten steigen, BaugrundstĂŒcke sind rar und die Preise fĂŒr Handwerksdienstleistungen explodieren. Gleichzeitig fĂŒhlt sich das klassische Bauen oft an wie ein unĂŒberschaubarer GroĂprozess mit vielen Beteiligten, hohen Kosten und wenig Mitbestimmung.
In dieser Gemengelage wird ein Gedanke wieder attraktiv, der schon in den 1970er-Jahren fuĂte: Was, wenn wir unsere HĂ€user einfach selbst bauen könnten?
Die sogenannte Self-Build-Bewegung setzt genau hier an. Sie steht fĂŒr die Idee, dass Menschen nicht nur Nutzer:innen von Wohnraum sein mĂŒssen, sondern aktive Gestalter:innen ihres Lebensraums werden können. Ob als Einzelperson, Familie oder Baugruppe: Der Selbstbau bietet Potenzial, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, handwerkliche Kompetenzen zu fördern und soziale Gemeinschaft zu stĂ€rken.
Gleichzeitig ist Self-Build auch eine Antwort auf ökologische Fragen: Wer selbst baut, entscheidet sich oft fĂŒr naturnahe Materialien, kleine GrundflĂ€chen und intelligente Wohnkonzepte.
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Walter Segal â der Mann, der den Selbstbau demokratisierte
Ein Name ist untrennbar mit der Self-Build-Bewegung verbunden: Walter Segal. Der 1907 in Berlin geborene Architekt und VisionÀr entwickelte ein revolutionÀres Bausystem, das es Laien ermöglichte, mit einfachen Mitteln ihr eigenes Haus zu errichten.
Nach seiner Emigration nach England in den 1930er-Jahren arbeitete Segal zunĂ€chst klassisch als Architekt. Doch bald wandte er sich einem anderen Ziel zu: Er wollte das Bauen entmystifizieren und fĂŒr alle zugĂ€nglich machen.
Sein Ansatz war ebenso einfach wie genial: Statt komplizierter BauplÀne und schwerem GerÀt setzte Segal auf eine modulare Holzbauweise, bei der mit Normteilen aus dem Baumarkt gearbeitet werden konnte. Fundamente? Nicht nötig. Gemauert oder verputzt wurde nichts. Alles war verschraubt, montiert und demontierbar.
Das sogenannte Segal-System wurde so zum Symbol einer neuen Art zu bauen: ökonomisch, nachhaltig, gemeinschaftlich â und in Eigenregie.
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Walters Way und Segal Close â gelebte Utopien in London
Den sichtbarsten Ausdruck fand Segals Idee in zwei Siedlungen im Londoner Stadtteil Lewisham: Walters Way und Segal Close.
Hier durften Menschen, oft mit wenig Geld, aber viel Motivation, unter seiner Anleitung ihre eigenen HÀuser bauen. Entstanden sind kleine Holzhaussiedlungen, die bis heute bewohnt und gepflegt werden. Jedes Haus ist anders, jedes spiegelt die Persönlichkeit seiner Erbauer:innen.
Segals Projekt war nicht nur ein architektonisches, sondern auch ein soziales Experiment: Die Bewohner:innen lernten voneinander, unterstĂŒtzten sich, diskutierten Grundrisse und Materialentscheidungen.
Bis heute gelten Walters Way und Segal Close als Vorzeigeprojekte fĂŒr selbstbestimmtes, ressourcenschonendes und kreatives Bauen. Sie zeigen, wie Wohnraum aussehen kann, wenn Menschen ihn selbst gestalten dĂŒrfen â mit Herz, Verstand und Werkzeugkiste.
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Fazit: Eine Idee, die weiterlebt
Walter Segal hat mit seinem Ansatz nicht nur das Bauen, sondern auch das Denken ĂŒber Wohnraum verĂ€ndert. In Zeiten von Wohnungsnot, Klimakrise und wachsendem Wunsch nach Selbstbestimmung lohnt es sich, seine Ideen wieder neu zu entdecken.
Vielleicht liegt in der Self-Build-Bewegung ein Teil der Lösung fĂŒr die Wohnfragen der Zukunft. Und vielleicht ist es gar nicht so schwer, das eigene Zuhause selbst zu bauen â wenn man den richtigen Bauplan hat.