Gedanken

Wo der Alltag 15 Minuten durch den Wald muss

Wo der Alltag 15 Minuten durch den Wald muss

Stell dir vor, du trägst deine Matratze, einen Farbeimer oder auch nur deinen Einkauf – und vor dir liegt ein 15-minütiger Fußweg durch dichten Wald, über Wurzeln und Moose, vorbei an Vogelstimmen und stillen Bäumen. Kein Auto in Sicht, kein Supermarkt um die Ecke, keine Klingel, die dich zurückholt. Nur du, das Gepäck – und der Weg. So beginnt Mein neues Kapitel: fernab vom Großstadtlärm, mitten im norwegischen Wald, wo wir ein kleines, altes Häuschen gekauft haben. Ein Ort, der lange ein Traum war – und nach einer stürmischen Zeit Wirklichkeit wurde.

 

Vom Lärm in die Stille
Berlin ist seit vielen Jahren mein Zuhause – laut, lebendig, aufregend. Ein Ort, an dem man ständig in Bewegung ist, ständig umgeben von Geräuschen, Gesichtern, Möglichkeiten. Ich liebe dieses Leben – aber oft hasse ich es auch. Denn so intensiv das Stadtleben auch ist, so erschöpfend kann es sein. Inmitten all des Trubels wuchs über Jahre hinweg ein stiller Wunsch in mir: Ein Ort, an dem nichts drängt. Ein Ort, an dem ich durchatmen kann. Ein Ort für mich, für uns. In der Natur. Frei.

 

Kindheitsträume mit Sommersprossen
Schon als kleines Mädchen war ich fasziniert von Pippi Langstrumpf. Ihre Freiheit, ihre Unangepasstheit, ihr Alltag voller Abenteuer und lustiger Einfälle – ganz ohne Erwachsene. Diese Figur hat sich tief in mir eingenistet. Pippis Villa Kunterbunt war für mich immer ein Symbol: für Selbstbestimmung, Leichtigkeit und den Mut, die Dinge anders zu machen. Vielleicht war sie mein frühes Vorbild für ein Leben abseits der Norm. 

 

Krise als Kompass
Dann kam die Krise. Gesundheitlich, emotional, existenziell. Alles stand plötzlich still. Und mitten in dieser Leere tauchte der Wunsch nach einem eigenen Ort in der Natur wieder auf – stärker als je zuvor. Vielleicht, weil ich begriffen habe, wie endlich alles ist. Vielleicht, weil ich spürte, dass das Leben mehr sein darf als Termine und To-Do-Listen. Also trafen wir eine Entscheidung. 

 

Ein Haus im Wald – und 15 Minuten Fußweg
In Norwegen, in der Nähe von lieben Freunden, haben wir ein kleines Häuschen im Wald am See gefunden. Kein Strom, kein fließend warmes Wasser, keine Straße, die direkt zum Haus führt – dafür aber absolute Stille, tiefe Wälder, klare Seen und der Sternenhimmel direkt über dem Dach. Alles, was wir zum Renovieren brauchten – Bretter, Matratzen, Werkzeuge, Farben, Töpfe, Pfannen, Löffel, Lebensmittel,  – musste über einen 15-minütigen Fußweg durch den Wald getragen werden. Es war körperlich anstrengend, logistisch herausfordernd und manchmal auch nervenaufreibend.

 

Abschied vom Komfort – und Willkommen im Jetzt
Hier gibt es keinen Lieferdienst, der Pizza bringt, keine Heizung auf Knopfdruck, keinen Supermarkt um die Ecke. Stattdessen: Feuerholz hacken. Wasser vom Brunnen holen. Kochen auf dem Gaskocher. Ich habe gelernt, wie wenig man wirklich braucht – und wie viel Zeit plötzlich da ist, wenn man nicht ständig mit dem Strom schwimmt. Kein ständiges Scrollen, kein Konsumieren, kein Lärmen.

 

Ein neues Gefühl von Reichtum
Jetzt sitze ich oft auf der kleinen Veranda, mit Blick aufs Wasser, und denke: So fühlt sich Reichtum an. Nicht im materiellen Sinne. Sondern im Herzen. Ich habe mehr Zeit als je zuvor – und nutze sie bewusster. Ich sehe, wie sich die Natur verändert. Ich spüre, wie ich ruhiger werde. Und ich merke, wie viel mir die Stille gibt. Ich bin Pippi ein bisschen näher gekommen. Nicht mit einem Pferd auf der Veranda – aber mit dem Gefühl, mein Leben wieder selbst zu lenken. Und das ist das größte Abenteuer von allen.

Weiterlesen

Draußenküche: Hefeklöße mit wilden Heidelbeeren
Gedanken-Experiment: Finde deine supercraft